Mehr als Babyblues:
Wochenbett-depression
Der Babyblues tritt typischerweise oft ein paar wenige Tage nach der Geburt auf, oft etwa zwischen dem 3. und 5. Wochenbetttag, und es erwischt zumindest in milder Form fast alle Frauen. Ungefähr dann also, wenn du nach dem Klinikaufenthalt mit deinem Baby nach Hause kommst. Nach der Anfangseuphorie: »Es ist geschafft! Das Baby ist da!« kommt vielleicht ein erstes emotionales Tief. Die Geburt, die hinter dir liegt, hat dich ordentlich durcheinander gewirbelt, kör- perlich und emotional. Das Geburtserlebnis wirkt nach, es braucht Zeit, um das alles zu verarbeiten und wieder Boden unter die Füße zu bekommen.
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Babyblues
Der Babyblues tritt typischerweise oft ein paar wenige Tage nach der Geburt auf, oft etwa zwischen dem 3. und 5. Wochenbetttag, und es erwischt zumindest in milder Form fast alle Frauen. Ungefähr dann also, wenn du nach dem Klinikaufenthalt mit deinem Baby nach Hause kommst. Nach der Anfangseuphorie: »Es ist geschafft! Das Baby ist da!« kommt vielleicht ein erstes emotionales Tief. Die Geburt, die hinter dir liegt, hat dich ordentlich durcheinander gewirbelt, kör- perlich und emotional. Das Geburtserlebnis wirkt nach, es braucht Zeit, um das alles zu verarbeiten und wieder Boden unter die Füße zu bekommen.
Nun kommt so viel Neues auf dich zu: Dein kleines zartes Baby liegt in deinem Arm und plötzlich sollst du alles wissen und können und bist bei alledem doch selbst noch so unsicher. Nach der anstrengenden Geburt ist der Schlaf rar, dein Baby weint manch- mal, ohne dass du immer weißt warum, du kannst es nicht sofort trösten, Stillen klappt nicht »mal eben so« und ist am Anfang viel fummeliger als gedacht, deine Geburtsver- letzungen schmerzen, die Brustwarzen und alles andere sind so empfindlich …
Sicher spielen auch hormonelle Faktoren eine Rolle, die Schwangerschaftshormone, vor allem das Progesteron, verschwinden aus deinem Körper, die Umstellung auf die Milchbildung ist eine hormonelle Achter- bahnfahrt, und die merkst du eben auch. Meist legt sich das nach den ersten 14 Tagen nach der Geburt wieder. Manchmal auch nicht – auch dazu folgt im Kapitel Mehr als Ba- byblues: Schock und Trauma noch mehr. Auch ganz wichtig: Der Babyblues ist keine Wochenbett- depression. Ist ersteres ein – wenn auch emo- tionsreiches und aufwühlendes – normales Umstellungszeichen deiner Seele, stellt eine Wochenbettdepression eine echte, tiefer ge- hende psychische Beeinträchtigung dar.
Das hilft beim Babyblues
Hebammenweisheit Nummer 1: Wochenbett halten! Ganz viel schlafen, ruhen, liegen.
Ruhe, Einkuscheln zu Hause, wenig oder gar kein Besuch. Lade nur Menschen ein, die du wirklich gern um dich haben möchtest, das sind nicht immer die, die am dringendsten kommen wollen.
kannst es nicht sofort trösten, Stillen klappt nicht »mal eben so« und ist am Anfang viel fummeliger als gedacht, deine Geburtsver- letzungen schmerzen, die Brustwarzen und alles andere sind so empfindlich …
Sicher spielen auch hormonelle Faktoren eine Rolle, die Schwangerschaftshormone, vor allem das Progesteron, verschwinden aus deinem Körper, die Umstellung auf die Milchbildung ist eine hormonelle Achter- bahnfahrt, und die merkst du eben auch. Meist legt sich das nach den ersten 14 Tagen nach der Geburt wieder. Manchmal auch nicht – auch dazu folgt im Kapitel Mehr als Ba- byblues: Schock und Trauma noch mehr. Auch ganz wichtig: Der Babyblues ist keine Wochenbett- depression. Ist ersteres ein – wenn auch emo- tionsreiches und aufwühlendes – normales Umstellungszeichen deiner Seele, stellt eine Wochenbettdepression eine echte, tiefer ge- hende psychische Beeinträchtigung dar.
Viel Hautkontakt mit dem Baby, das ist gut für die Oxytocinproduktion. Dieses Hormon ist wichtig für die Milchbildung, bindungsfördernd und hat, weil Liebe eben so toll ist, eine stimmungsaufhellende Wirkung.
Umsorgt sein: Lasse dir die Schnitt- chen ans Bett servieren. Du bist im Wochenbett und solltest dich in den ersten beiden Wochen nach der Geburt (mindestens) um nichts (!) im Haushalt kümmern müssen.
Pflege dich: Gehe einmal ausgiebig unter die Dusche (während dein Mann mit dem Baby kuschelt) und creme dich mit einer wohlduftenden Creme ein. Vielleicht verwöhnt er dich danach mit einer Bauch- oder Kreuzbeinmas- sage. Noch besser: Vielleicht geht dein Mann auch, während du duscht, mit Baby zum Lieblingsbäcker, Torte kaufen. Und Blumen mitbringen.
Mehr als Babyblues: Schock und Trauma
Manche Geburten sind das Gegenteil von einer Traumgeburt. Alles ist anders ge- kommen, als du es dir gewünscht hast. Möglicherweise waren medizinische Inter- ventionen nötig, vielleicht gab es kritische Situationen im Kreißsaal, für dich oder dein Baby. Vielleicht fühltest du dich auch hilflos, alleingelassen und ohnmächtig oder hast die medizinischen Notwendigkeiten als Über- griff erlebt. Vielleicht ist da erst mal das Ge- fühl, als seist du oder dein Baby gerade noch mit dem Leben davongekommen – ob das »objektiv so war«, ist vollkommen zweitran- gig – was zählt, ist dein Erleben. Wohlmeinende Ratschläge wie »Sei doch froh, ist ja alles noch mal gut gegangen«
machen nichts besser. Gefühle wie Ohn- macht, aber auch Wut, Trauer, Enttäu- schung sind da, manchmal in achterbahn- artigem Wechsel, und verwirren dich. Du hast ein existenzielles Erlebnis hinter dir und wirklich in einen Abgrund geschaut. Dass Gebären und Sterben irgendwie ein Kreis- lauf sind, hast du leibhaftig erlebt – und bist erschüttert von der Fragilität unseres Le- bens und allem, was wir sonst so für selbst- verständlich halten.
Möglicherweise fühlst du dich auch in der Hinwendung zu deinem Baby innerlich blockiert, und das zu erleben ist schlimm. Rational ist dir das alles klar, aber dein Ge- fühl kommt da nicht mit. Und auch in dei- nem Körper ist dieses Trauma gespeichert.
Schmerzvolle Erfahrungen brauchen nicht nur, aber auch Zeit, um zu heilen. Vielen Frauen hilft es, über ihre Erfahrungen zu sprechen, deine Hebamme ist hier die aller- erste Adresse. Wenn es aber nicht besser wird und du wirklich Hilfe brauchst, gibt es in größeren Städten Menschen, die sich auf die Begleitung traumatisierter Menschen, auch nach Geburten, spezialisiert haben. Adres- sen dazu findest du im Anhang.
Buchtipps: Tanja Sahib, Es ist vorbei – ich weiß es nur noch nicht. Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen. Books on Demand 2013.
Im Herbst 2017 erscheint das zweite Buch der Ber- liner Psychotherapeutin zu depressiven Krisen rund um Schwangerschaft und Geburt.
Viresha Bloemeke, Es war eine schwere Geburt. Wie schmerzliche Erfahrungen heilen, Kösel 2015. Beide Autorinnen arbeiten in ihren Praxen in Berlin (Tanja Sahib) und Hamburg (Viresha Bloemeke) seit Jahren zu diesem Thema.
Wochenbettdepressionen
In verschiedenen Bereichen rund ums Kinderkriegen begegnen dir auch immer mal Gefühle und Gedanken, die nicht nur die reine Freude sind, sondern auch andere Facetten auf der zur Verfügung stehenden Emotionspalette abdecken. Ambivalente Gedanken gehören dazu und Momente von Zweifeln, Erschöpfung und Sorgen. Auch wenn es auf den vielen bunten Bildern in Büchern und auf all den Mutti-Blogs manchmal nicht so aussieht: Natürlich ist diese dunkle Seite des Mondes völlig nor- mal, und allen Frauen geht das so!
Direkt nach der Geburt bist du vermutlich erst mal froh, dass du es geschafft hast und euer Baby nun bei euch ist. Vielleicht hast du dir das alles aber auch noch viel toller, dich noch viel glücklicher vorgestellt. Dieses Gefühl von »alles ist wundervoll« ist nicht so richtig da. Du wärest gern die glücklichste Mutter der Welt, aber so fühlt es sich gar nicht an. Du bist irritiert oder auch ent- täuscht. Manchmal fühlt es sich einfach so an, als würde hinter dem nächsten Hügel noch das große, in jeder Faser spürbare Mut- terglück warten, wie der Goldtopf unterm Regenbogen. Aber irgendwie stellt sich die- ses absolute Leuchten noch nicht ein.
Ein Babyblues ist keine Wochenbettdepres- sion und umgekehrt. Es handelt sich tat- sächlich um zwei ganz verschiedene Phä- nomene. Während derBabyblues in mehr oder weniger ausgeprägtem Ausmaß fast jede Frau betrifft, meistens aber eine Sache eher von »Tagen, die vorbeigehen« ist, ist eine Wochenbettdepression eine wirkliche psychische Erkrankung, die natürlich auch in verschiedenen Schweregraden auftreten kann. Je nach Literatur schwankt die Häu- figkeitsangabe zwischen 10 und 20 Prozent. Innerhalb dieser Wochenbettdepression gibt es auch eine breite Spanne, wie ausge- prägt die Symptomatik ist und wie sehr die Frauen selbst darunter leiden. Es gibt milde Formen, die man mit einer gewissen psy- chischen Grundstabilität und ihren inne- ren Ressourcen gut übersteht, bis es einfach wieder vorbei ist, so wie das in anderen Pha- sen des Lebens manchmal eben auch so ist. Eine ausgeprägte Wochenbettdepression ist dagegen etwas anderes. Oft beginnt sie erst etwas später, also wenige Wochen, manch- mal sogar Monate nach der Geburt, oder Frauen erleben nach dem Babyblues keine Erholung, sondern schlittern nahtlos in eine handfeste Depression hinein. Manchmal erwischt es Frauen sogar auch erst dann, wenn das »Elterngeldjahr« rum ist und sie wieder beginnen, zu arbeiten. Weil dann erst »alles zu viel« wird und der emotio- nale Spagat mit all seinen Anforderungen an Baby, Job, Liebesbeziehung, zu Hause zur ungeahnten Herausforderung wird. Im klassischen Sinn ist das keine Wochenbett- depression mehr, ich würde sie dennoch dazuzählen.
Bei einer Wochenbettdepression rankt sich vieles um das Thema Erschöpfung und Überforderung, sehr ähnlich einer Erschöp- fungsdepression. So als hätte zwischen all dem Alltag das einfache Glück keinen Platz. Es ist einfach auch anstrengend, die erste Zeit mit dem Baby! Sobald sich die An- fangseuphorie gelegt hat, begegnet dir viel- leicht der Widerspruch zwischen Vorstel- lung und Wirklichkeit. Dein Baby braucht viel mehr Non-stop-Aufmerksamkeit, als du dachtest. Es weint vielleicht mehr als du dachtest. Es fügt sich weniger in dein Leben ein, als du dachtest. Dazu kommt die stän- dige Müdigkeit. Die Nächte sind kurz, kaum bist du mal richtig eingeschlafen, wacht dein Baby wieder auf. Und neben all dem hast du das Gefühl, du kommst zu gar nichts. Leckeres Essen zu kochen schaffst du viel zu selten, beim Friseur warst du schon ewig nicht mehr, und vielleicht fühlst du dich auch von deinem Mann viel weniger unterstützt, als du dachtest oder als es besprochen war. Insgesamt fühlt es sich an wie ein Zustand von totaler körperlicher und emotionaler Ausgelaugtheit.
Risikofaktoren
Es gibt Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an einer postpartalen Depression zu erkranken:
Depression in deiner Vergangenheit oder in deiner Familie
Traumatisch erlebte Geburten. Dabei ist dein subjektives Geburtserleben relevant, nicht das, was im Entlassungsbrief in der Klinik steht.
Partnerschaftliche Konflikte oder mangelnde Unterstützung
Finanzielle Probleme
Kaiserschnitt und primäres Abstillen – beides steht möglicherweise mit dem Oxytocin-Stoffwechsel im Zusammenhang.
Wochenbettdepressionen 399
Symptome
Du fühlst dich dauerhaft überfordert und hast schon morgens das Gefühl: Oje, wie soll ich nur den Tag schaffen?
Du bist massiv reizbar.
Du würdest am liebsten nur noch schla- fen. Oder weg.
Du siehst dein Baby an und fragst dich: Was willst du bloß von mir? Oder du hast das Gefühl, nichts zu fühlen oder viel we- niger, als du es für gut hältst.
All diese Gefühle und Gedanken sind keine Momentaufnahme, sondern hal- ten schon seit mindestens zwei Wochen an, ohne dass du Tage dazwischen spürst, an denen es dir richtig gut geht.
Was kannst du tun?
Nimm die Symptome ernst und leite etwas in die Wege: Rufe deine Hebamme an, jetzt gleich (außer, ihr seid schon für einen Termin in den nächsten zwei Tagen verabredet). Sie kennt die Situation gut. Oft helfen und reichen schon einfühl- same Gespräche. Und sie ist auch interdis- ziplinär gut vernetzt und kennt weitere Begleitungsmöglichkeiten, wenn du the- rapeutische oder weiter beratende Hilfe in Anspruch nehmen solltest.
Kontaktiere eine Beratungsstelle (Adressen im Anhang). Du bist nicht allein, und es gibt Menschen, die dir helfen können.
Suche dir Unterstützung, und zwar ganz konkret und jetzt sofort. Haushaltshilfe, Oma/Leihoma, Familienhilfe, Putzfrau, Babysitter. Eine Haushaltshilfe kann dir bei einer entsprechenden Indikation – und eine beginnende Depression ist eine – dein Arzt verschreiben. Wenn du selbst dazu nicht in der Lage bist und schon das »zu viel« ist, muss dein Mann oder deine beste Freundin das übernehmen. Bitte sie darum!
Unterstützt dein Partner dich genug? Fühlst du dich verstanden? Oder kämpft ihr mit schwierigen, erst mal nicht zu än- dernden Umständen? Arbeitet er unter der Woche in einer anderen Stadt, hat so lange Fahrtwege, dass er erst sehr spät zu Hause ist? Da gilt es auch noch mal, Prio- ritäten zu untersuchen. Manchmal stellt sich auch die Frage, ob ein »Ich kann mei- nen Chef unmöglich fragen« nicht in Wirklichkeit heißt: »Ich will meinen Chef auf keinen Fall fragen«. Nachweislich ist der Grad an partnerschaftlicher Unter- stützung ein wichtiger Faktor bei einer Wochenbettdepression.
Kontakt und Austausch mit anderen Müttern hilft sehr gegen das Gefühl, dass dir gleich die Decke auf den Kopf fällt. Suche Dir verschiedene Kurse aus, PEKiP, Rückbildung, und gehe mit der nettesten Mutter danach noch eine Runde um den Block. Sozialer Kontakt und Austausch ist enorm wichtig in einer neuen Lebens- situation!
Gute Ernährung ist ein wesentlicher Baustein nicht nur der körperlichen, sondern auch der psychischen Ge- sundheit. Gleichzeitig kommst du ver- mutlich kaum dazu, dir aufwendige und tolle Gerichte zuzubereiten. Ergänze be- stimmte Vitalstoffe eventuell über Nah- rungsergänzungsmittel. Vor allem eine gute Versorgung mit Omega 3, Vitamin D im Winter, Selen, Zink, B-Vitaminen und Magnesium ist wichtig. Dies sind die typischen Nährstoff-Mangelkandidaten. Nach einer Schwangerschaft und den zehrenden ersten Wochen nach der Ge- burt sind diese Werte bei vielen Frauen – meiner Erfahrung nach bei so gut wie allen, die dies nicht gezielt substituiert haben – im Keller. Und gleichzeitig sind niedrige Blutwerte dieser Mikronähr- stoffe eben auch mit Depressionen assozi- iert. Lies dazu mehr unterDepressionen im Buchteil Mittendrin in der Schwangerschaft.
Die meisten depressiven Episoden im Wo- chenbett verschwinden nach einiger Zeit auch ohne weiterreichende Maßnahmen wie eine längere Therapie oder gar medika- mentöse Behandlung. Stationäre Aufent- halte sind zum Glück selten nötig, mitt- lerweile gibt es aber gute Adressen, die auf dieses Themenfeld spezialisiert sind und die keine Trennung von Mutter und Kind bedeuten müssen.
Buchtipp: Ulrike Schrimpf, Wie kann ich dich hal- ten, wenn ich selbst zerbreche? Meine postpartale Depression und der Weg zurück ins Leben, Südwest 2013.
Ehrlich, vielschichtig und einfühlsam.
Naturheilkunde bei Wochenbettdepressionen
Es gibt Pflanzen, Bachblüten und homöopathische Medikamente, die bei einer postpartalen Depression angezeigt sein können. Für milde Formen, die ich eher der Kategorie »Befindlichkeitsstörung« zuordnen würde, ist eine Selbstmedikation manchmal auch vollkommen ausreichend und selbstbestimmt möglich. Menschen verfügen üblicherweise über das Wissen, dass nach schweren Zeiten auch wieder bessere kommen. Manchmal aber auch nicht. Und deshalb ist es wichtig, nicht zu lange herumzudoktern, und es geht einem dabei dann irgend- wie doch immer schlechter.
Bekannt und bewährt (in einem Review von 2009 sogar gleichwertig mit synthetischen Antidepressiva227) zur Unterstützung bei depressiven Symptomen ist Johanniskrautextrakt. Du kannst auch in der Stillzeit ein Johanniskrautpräparat einnehmen, etwa Laif®900. Es wurde ein möglicher Rückgang der Prolaktinproduktion diskutiert, laut embryotox.de fanden sich bei einer Unter- suchung dazu aber keine Hinweise.